Blättle vom 08.02.2024

Seite 38 ’s Blättle Nr. 6 / 8. Februar 2024 Gemeinde Hattenhofen die Referentin unter Verweis auf die Vorarbeit und Workshopteilnahme einer Rathaus-Mitarbeiterin. Öffentliche Auftraggeber in Deutschland beschaffen jährlich Produkte im Umfang von 19 Prozent des Brutto-Inlandprodukts. Die Hälfte der Ausgaben entfallen auf die Kommunen. Hier habe man also einen Bereich, wo man etwas bewirken könne. Nun soll eine von der Energieagentur vorbereitete formelle und schriftlich festgehaltene Beschaffungsrichtlinie für die Anwendungen der Verwaltung erlassen werden. Zu prüfen sind die Vermeidbarkeit der geplanten Beschaffung, die Betrachtung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus, die Betrachtung und Kosten über den Lebenszyklus und Langlebigkeit sowie Reparatur zu Recyclingfreundlichkeit. Bei der Sicherstellung von umweltfreundlichen Beschaffungen kann man sich an Standards und Öko-Labels orientieren. Zur Seriosität und Aussagekraft der Gütezeichen gibt es untern anderem die Website www.siegelklarheit.de. Man habe dann sehr formalisierte Richtlinien, so Frau Binder, diese seien aber nötig für die weiteren Punkte zumEEA. Inhaltlich seien dieMaßnahmen und Vorgaben schonweitestgehend umgesetzt. Richtlinien, aber keine überbordende Bürokratie Er sei grundsätzlich für diese ökologische Beschaffung, so ein Gemeinderat, und vieles mache man ja schon. Aber wie dokumentiere man das? Schaffe man ein bürokratisches Monster? Müsse man zum Beispiel, wenn man Boller Apfelsaft beschafft, dokumentieren wer dies wo besorgt, inwelchemUmfang undwo er eingesetzt wird? Brauche man da zusätzliches Personal? Man müsse die Richtlinien dokumentieren, so Lisa Binder, damit klare Handlungsanweisungen vorliegen. Es gehe nur um Produktkategorien, aber keine verbindliche Festlegung bestimmter, einzelner Produkte. Land und Kreis wollen Pariser Klimaschutzziele unterbieten TimmEngelhardt, der Leiter der Energieagentur, referierte zumThema „Integriertes Klimaschutzkonzept“. Der Landkreis schreibe hier sein eigenes Konzept fort, energiepolitisch sei derzeit viel Druck auf dem Kessel. Der Referent bezog sich auf die Klimabeschlüsse in Paris in 2015. Auf der Klimakonferenz wurde beschlossen, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad beschränkt werden soll, ab 2050 soll die Erde treibhausgasneutral werden. Betroffenen Entwicklungsländern ist zu helfen und die nationalen Klimaschutzziele sollen regelmäßig überprüft und gesteigert werden. Einig war und sei man sich, dass die Absenkung schnell erfolgen müsse. Deutschland habe daher die europäischen Ziele verschärft, Baden-Württemberg habe sich nochmals mehr vorgenommen und der Landkreis habe diese baden-württembergischen Ziele, darunter die Klimaneutralität bis 2040, übernommen. Aufklärung und technische Lösungen statt „nur“ Öko-Labels gefordert Ein Gemeinderat wollte vomReferenten wissen, was „klimaneutral“ bedeute. Woher wisse man, wieviel an klimaschädlichen Gasen ausgestoßen und wieder aufgenommen werde? Klimaneutral bedeute, so TimmEngelhardt, dass nur soviel Kohlendioxid produziert werden darf, wie durch natürliche Senken wieder aufgenommen werden kann, also durch Wald, Moore oder auch durch technische Maßnahmen. Es gebe hier rechnerische Beispiele, wieviel Kohlendioxid beispielsweise die Kleiderproduktion verursache oder die Tierhaltung. Für ihn sei wichtig, so ein anderer Gemeinderat, dass es letztendlich nicht um Kohlendioxid, sondern um Kohlendioxid-äquivalente Gase gehe. Die seien in ihrer Auswirkung noch viel heftiger. CO2 sei nicht das größte Problem, das Thema werde zu schlicht erklärt. Dazu verwies der Sprecher auf die weltweite Kohlendioxid-Produktion, vor allem in China oder Indien. Deutschland lobe sich für seine Einsparungen, dabei liege die Ursache für die Treibhausgase bei den dortigen Produktionen, die Deutschland ausgelagert habe. Die ganzen Öko-Label seien ja schön und gut, aber letztlich eine Kleinklein-Lösung. Das sei für ihn Augenwischerei, so der Sprecher. Deutschland als Industriestaat müsse hochtechnologisch weltweit wettbewerbsfähig sein. Andernfalls habe man überhaupt keinen Einfluss mehr auf den Klimaschutz. In China würden Batterien mit viermal höheren Ausstoßwerten hergestellt, aber weil die billig sind, kaufe man sie und importiere nach Deutschland. Öko-Label seien legal und legitim, aber das sei eine ganze Industrie geworden, so der Sprecher. Inmanchen Bereichen seien dieWerte von Produkten mit Öko-Label genauso schlecht wie bei der Verwendung von Erdöl, zum Beispiel bei der Herstellung von gelben Säcken. Viele Menschen fühlten sich hinters Licht geführt. Er sei kein Verhinderer von Klimaschutz, betonte der Redner, ganz im Gegenteil. Ausgelagerte Produktion verursacht deutlich mehr als zwei Prozent am globalen Ausstoß Er gebe seinem Vorredner recht, so Timm Engelhardt, vor allem bei dem Thema CO2-Äquivalente. Ein Problem sei das derzeitige Tempo im Klimaschutz, dem könnten die Leute nicht mehr folgen. China beispielsweise wolle auch klimaneutral werden, schon im eigenen Interesse, und werde es mit dem dortigen Regierungssystem schneller schaffen als Deutschland. Eine Aufklärung bei dem Thema sei schwierig, weil es sehr komplex sei. Schwierig ist für den Fachmann die Haltung in Deutschland, man trage ja nur zwei Prozent zum weltweiten Klimaausstoß bei. Das sei der ganz falsche Ansatz, bestätigte der Kritiker im Gremium, unter Verweis auf die ausgelagerte Produktion: Man lebe in Deutschland auf Kosten der Menschen in China und Indien. Großes Potential beim Ausbau erneuerbarer Energien Daher sei es wichtig zu wissen, wo man steht, so Herr Engelhardt. Der Landkreis beispielsweise habe eine ziemlich genaue Treibhausgasbilanz erstellen lassen. Natürlich spare Papier und dieses Konzept noch kein Gramm CO2 zu vermeiden, nur die Umsetzung helfe. Aktuell werden in Deutschland sieben Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr erzeugt, zur Erreichung der Klimaneutralität müsse man auf 0,5 Tonnen je Person herunterkommen. Für jedeGemeinde habe die Energieagentur (EA) mittlerweile einen individuellen Steckbrief erstellt. Ein großes Potenzial bei den zu bearbeitenden Feldern sieht die EA in Hattenhofen beim Ausbau erneuerbarer Energien, auch wenn man sich hier seit 2014 deutlich verbessert habe. Engelhardt verwies auf die Möglichkeit der Wertschöpfung durch Klimaschutzmaßnahmen. Hattenhofen gebe Stand 2019 77 Prozent für fossile Brennstoffe aus, dieses Geld gehe nach außerhalb. Bei Erhöhung des regenerativen Anteils verbleibe die Wertschöpfung in der Gemeinde. Es müsse uns gelingen, so BM Reutter, wie in der Diskussion angesprochen, die Mitbürger mitzunehmen, alles andere helfe niemandem. Auch für ihn gehe in der öffentlichen Diskussion unter, wo Deutschland produzieren lasse. Jedenfalls liege man deutlich über diesen oft genannten zwei Prozent Weltanteil am KohlendioxidAusstoß. Massive Kritik an formalen Vorgaben, Bürgermeister widerspricht Prinzipiell finde er das alles richtig, so ein Gemeinderat, Verbrauch und Emissionen zu senken und sinnvoll einzukaufen. Aber es werde nur geschwätzt, irgendwelche Prozente festgelegt, die dann jeder unterbieten wolle und viel Geld für Planungen ausgegeben. Durch entsprechende Beschlüsse konterkariere die Politik ihre eigenen Klimaziele, beispielsweise durch die Subvention von Industriestrom. Daher sei er strikt dagegen, dass sich die Gemeinde ein Ziel in Form von Jahreszahlen und Einsparprozenten setze. Lieber solle man konkreteMaßnahmen voranbringen. Manmüsse dasMaximale rausholen, das müsse doch für den EEA ausreichen. Nein, so BM Reutter, er sehe Hattenhofen als Vorreiter und wenn man Gold wolle, seien diese formellen Beschlüsse für die Punktzahl erforderlich. Außerdem seien Verwaltung und Planer hier die falsche Adresse für die Kritik, manmöge sich doch bitte an die jeweiligen Abgeordneten wenden. Er persönlich habe auch viel Kritik an der Bundespolitik, so der Reutter. Bislang habe die Gemeinde keinen Nachteil aus der EEA-Zertifizierung. Ein anderer Gemeinderat verwies darauf, dass die genannten Zahlen als Ziel nur angestrebt würden und nicht fixiert seien. „Wissenschaft statt Ideologie und Plakate“ Jeder Mensch auf der Welt müsse die klimaschädlichen Ausstöße vermeiden und reduzieren, so der Sprecher mit Kritik an ausgelagerten Produktion, und so ein Zertifikat wecke Interesse in der Bevölkerung. Aber wichtiger sei es, Menschen auszubilden, das sei der Schlüssel. Manmüsse inPhysik und Thermodynamikwieder besser werden, manmüsse die Menschen in den naturwissenschaftlichen

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